Die Deutsche Cochlear Implant Gesellschaft e.V. verlieh unserer Selbsthilfegruppe OhrRing als Anerkennung für die Bemühungen um die Einrichtung möglichst vieler induktiven Höranlagen in Bamberg den Titel “Initiative des Jahres 2010”.
Alltägliche Erfahrung von uns schwerhörigen Menschen: Mit der modernsten Technik im und am Ohr sitze ich in einem großen Vortragsraum oder in einer mächtigen Kirche und freue mich auf den Beginn der angekündigten Veranstaltung. Kaum verhallen aber die ersten Sätze, erwischt mich eiskalt die bittere Erkenntnis: Ich verstehe bestenfalls nur Wortfetzen davon, was da gesprochen wird. Durch das herkömmliche Mikrofon kann ich die Sprache nur verzerrt wahr nehmen. Die langen Übertragungswege und Hintergrundgeräusche machen mir ein Sprachverständnis trotz größter Anstrengung nicht möglich. Inmitten der lauschenden Gemeinschaft der Zuhörenden fühle ich mich ausgeschlossen, einsam und enttäuscht. Ich geHÖRE nicht dazu. Meine unsichtbare Behinderung isoliert mich mit strenger Unerbittlichkeit.
Mitglieder der Selbsthilfegruppe OhrRing wollten sich mit dieser Situation nicht abfinden. Die 2006 gegründete Selbsthilfegruppe machte sich mit Gruppensprecherin Margit Gamberoni auf den Weg, sich geHÖR zu verschaffen.
Auf Anregung der Behindertenbeauftragten Frau Nicole Orf erstellte unsere Gruppe zunächst eine Bedarfliste. In dieser führten wir an, wo wir uns in Bamberg induktive Höranlagen wünschten und setzten dabei auch Prioritäten. Auch trugen wir zusammen, in welchen städtischen Einrichtungen unserem Wissen nach bereits an Schwerhörige gedacht wurde und boten an, diese Anlagen als Betroffene zu überprüfen.
Nachdem der Etat der Behindertenbeauftragten aufgestockt wurde, fasste Frau Orf die Verlegung von induktiven Höranlagen als vorrangigen Schwerpunkt für die Jahre 2009 und 2010 ins Auge. Zahlreiche städtische Behörden und Einrichtungen (z.B. alle 5 Schreibtische der Infothek im Rathaus, die Kfz-Zulassungsstelle, das Standesamt, das Fremdenverkehrsamt, der Trauungssaal und der Vortragsraum der Städtischen Volkshochschule) erhielten eine Induktionsschleife.
Das E.T.A.-Hofmann-Theater erhielt eine Infrarotanlage und induktive Empfänger für hörgeschädigte Theaterbesucher. Die Bamberger Selbsthilfegruppe testete mehrmals sowohl das frühere, für mittel- und hochgradig hörgeschädigte Zuschauer völlig unzulängliche Angebot (Kinnbügel, nur für leicht Hörgeschädigte geeignet), als auch die neue Anlage und protokollierte das Ergebnis. In Zusammenarbeit mit der Gruppe wurden Hinweisschilder entworfen , die bereits an der Kasse die Betroffenen auf die Höranlage aufmerksam machen.
In der Konzert- und Kongresshalle wurden auf unsere Anregung hin beide großen Säle mit einer Infrarotanlage ausgerüstet. Wir gingen alle Reihen ab und testeten von jedem Platz aus die Qualität der neuen Anlage.
Auch der Betreiber des Odeon-Kinos erfüllte unseren Wunsch und ließ im Saal 1 eine Induktionsschleife legen.
Die Universität Bamberg verfügt bis jetzt (Stand Februar 2011) in keinem einzigen Vorlesungs- und Seminarraum über eine induktive Höranlage. Wir hoffen, dass die Zusage für die schrittweise Nachrüstung bald umgesetzt wird und damit die gegenwärtig sehr schwierigen Studienbedingungen für hörgeschädigte Studenten und Studentinnen erleichtert werden.
In den Kirchen beider Konfessionen scheint die finanzielle Notlage gegenwärtig nur einen engen Handlungsspielraum für den Abbau von Barrieren zuzulassen. Als positives Beispiel für aktuelle Nachrüstung mit einer induktiven Höranlage sind in Bamberg die evangelische Auferstehungskirche und die katholische Pfarrkirche St. Heinrich zu erwähnen. In der Auferstehungskirche ist der allzu schwache Verstärker ausgetauscht worden und die St. Heinrichskirche hat unsere Bitten erhört und bei der neuen Beschallungsanlage einen Bankblock mit einer Induktionsschleife versehen. Beide Anlagen vermitteln nun eine hervorragende Klangqualität. Pater Gerhard reparierte die Induktionsanlage der Karmelitenkirche St. Theodor wiederholt eigenhändig, nachdem wir ihm eine Störung vermeldeten. Leider müssen die hörbehinderten Gottesdienstbesucher der großen innerstädtischen Kirche St. Martin nach wie vor auf die Instandsetzung der induktiven Höranlage warten, denn hier wurde unser Anliegen nicht erhört.
Von den zahlreichen neuen Anlagen sollten die Betroffenen selbst natürlich in Kenntnis gesetzt werden. Ein von uns entworfender und in Zusammenarbeit mit der Behindertenbeauftragten Frau Orf aufgelegter Flyer “Verzeichnis der induktiven Höranlagen für schwerhörige Menschen in Bamberg” informiert über das erfreulich reichhaltige Angebot für induktive Höranlagen in unserer Stadt.
Unser ausdrücklicher Dank gilt an dieser Stelle der Behindertenbeauftragten Frau Nicole Orf, die sich mit dem ihr eigenen einfühlsamen Verständnis und mit unerschütterlichem Engagement für die Bedürfnisse aller Behinderten unserer Stadt einsetzt und auch für uns Hörbehinderte Großartiges verwirklichkt hat.
Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnung, die für uns zugleich Ansporn für weiteres Engagement ist.