Tagesseminar mit Peter Dieler am 17. November 2012
Wie können wir schwerhörige Menschen uns verhalten, damit die Kommunikation mit gut Hörenden in Familie, Beruf, Freundeskreis besser wird? Welche Einstellungen, Erwartungen, Verhaltensmuster bedürfen in unserem Selbstverständnis einer Überprüfung und ggf. einer Korrektur? Um diese Themen kreisten unsere Gespräche bei dem sehr gelungenen Tagesseminar mit dem Audiotherapeuten und selbst hochgradig schwerhörigen Referenten Peter Dieler.
Schon die Vorstellungsrunde “Die Geschichte meines Namens” brachte neue Erkenntnisse nicht nur über langjährige Mitglieder unserer Gruppe, sondern sogar von uns selbst. Warum haben meine Eltern mir gerade diesen Namen gegeben, was bedeutet der Name, welche Erwartungen wurden damit zum Ausdruck gebracht und welches Verständnis verknüpfe ich selbst damit? Unter diesem Gesichtspunkt durften wir der Gruppe verborgene Nuancen der eigenen Lebenslinie anvertrauen.
Peter Dieler führte uns unterschiedliche Aspekte der Kommunikation vor Augen. An mehreren praktischen Beispielen erkannten wir, dass wir nicht nur akustisch hören, sondern stets auch interpretativ. Zahlreiche Missverständnisse, Fehldeutungen wurzeln in dieser allzu wenig beachteten Tatsache. Nicht immer verstehen wir Menschen das, was gesagt wird auch so, wie der andere es meint – und unserem Gesprächspartner geht es genau so. Kommunikationsprobleme haben nicht nur schwerhörige Menschen.
Wir dürfen nicht erwarten, dass eine bestimmte Aussage vom Gegenüber sofort so verstanden wird wie wir das meinen. Wenn ich z.B. sage, ich habe ein Hörgerät, heißt es nicht, dass der andere es weiß, was ein Hörgerät ist und wie es mir dabei geht.
“Eigentlich ist der gut Hörende der Behinderte, weil er nicht weiß, wie er mit uns umgehen soll.” Das Einfühlungsvermögen, welches wir von unseren Gesprächspartnern erwarten, sollten auch wir ihnen entgegenbringen. Anstelle der wiederholten Rückfrage “Was hast du gesagt?” drückt die Formulierung “Ich möchte dich gerne verstehen” Wertschätzung aus. Der Partner darf erfahren, dass es mir wichtig ist, was er sagt. Auch die Aussage eines lieben Mitmenschen “Schade, dass du schlecht hörst” lässt sich frappierend in “Schade, dass du nicht so sprichst, dass ich dich verstehe” umwandeln.
Wir haben es von Kindheit an kaum gelernt und auch nicht eingeübt, Gefühle wahrzunehmen und zu äußern. Dies betrifft sowohl die eigenen Gefühle als auch diejenige von unseren Mitmenschen. Das erschwert auch die Akzeptanz der Schwerhörigkeit. “Wenn ich mich verstecke, kann mich keiner finden.” Zur Echthet meiner Gefühle, zu meiner persönlichen Identität gehört nicht nur die Annahme der Schwerhörigkeit, sondern auch das ehrliche Dazustehen in der jeweiligen Umwelt. Nur dann darf ich erwarten, dass sich meine Gesprächspartner in meine Situation einfühlen, dass ich mich nicht ständig gerechtfertigen muss.
“Mit der Schwerhörigkeit sich auseinanderzusetzen ist eine Lebensaufgabe. Man kommt nie richtig an.” Mit dieser Erkenntnis verabschiedete sich unser Referent Peter Dieler von uns. Am Tagesseminar mit ihm lernten wir geistiges und praktisches Handwerkzeug kennen, mit dem wir unsere Schritte im Alltag in die richtige Richtung lenken können.